Skandinavien im Mai 1994
Durch einen spontanen Arbeitsplatzwechsel von Heike können/müssen wir auf einmal
ganz spontan zwei Wochen Urlaub nehmen. Eigentlich wollten wir im Sommer eine
Kanutour auf dem Ströms Vattudal machen, nun im Mai war das wohl keine
Alternative. Als alter Skandinavienfan kann ich Heike dazu überreden, daß wir
einfach zwei Wochen ins Blaue Richtung Lappland fahren. Heike war noch nie in
Skandinavien und ich hoffe imständig, daß es ihr gefällt.
Samstag früh morgens fahren wir los. Unsere Fähre fährt um 14 Uhr ab
Grenå. In Flensburg machen wir noch Station bei Ulf, der dort studiert und
frühstücken gemeinsam. Kurz vor zwölf geht es zügig weiter und wir kommen
rechtzeitig in Grenå an.
Wir fahren auf die Fähre die ziemlich alt ist, aber mit ihren roten schweren
Teppichen und ihren mahagonifarbenen Holzvertäfelungen strahlt sie einen
verstaubten Charme aus.
Nach vier Stunden kommen wir in Varberg an. Wir wollen noch zu einer Stelle in der
Nähe von Malexander bei Boxholm fahren.
Dort ist eine Lichtung im Wald, die mal ein Freund von mir entdeckt hat und wo ich
eigentlich in jedem Schwedenburlaub mindestens einmal wild campe. An der
Lichtung fließt ein kleiner Bach vorbei. Wenn man diesem Bach ein paar zehn Meter
folgt, kommt man an einen schönen einsamen See. Der See ist von der Lichtung
nicht einsehbar.
Diesen See können wir heute abend noch erreichen. Er ist ungefähr 300 Kilometer
von Varberg entfernt. Es wird schon bald dunkel, Heike fühlt sich unheimlich bei
dem Gedanken irgendwo an einem einsamen Plätzchen wild zu campen. Doch
schon bald schläft sie im Auto ein.
Ich fahre durch die Nacht, komme durch Boxholm durch, biege nach Malexander ab.
Hinter Malexander muß irgendwo der Asphalt aufhören. und kurz dahinter führt ein
kleiner Waldweg zu der Lichtung. Irgendwie geht der Asphalt aber weiter, und die
Straße ist durch einen Fels gesprengt. Haben wir uns verfahren? Gerade als ich
unsicher werde, sehe ich den Waldweg und fahre hinein. Offensichtlich wurde die
Straße in den letzten zwei Jahren ausgebaut.
Heike schaut etwas ängstlich, als ich in das dunkle Loch des Waldweges hinein
fahre. Schon bald kommen wir an der Lichtung an. Ich lasse die Autoscheinwerfer
an und verbreite mit Absicht Hektik, damit garkeine Zeit aufkommt mulmige Gefühle
zu entwickeln. Ich habe Angst, daß Heike sonst plötzlich doch lieber irgendwohin
fahren will, wo viele Leute sind und dann auf immer und ewig Angst vor dem wilden
Campen hat.
Das Zelt wird schnell aufgebaut, Heike soll schon Holz für ein Feuer sammeln. Das
Feuer ist schnell entfacht und ich hoffe, daß in seinem Schein keine Ängste
aufkommen können.
Es ist kalt. Wir grillen noch unser mitgebrachtes Fleisch und gehen dann schlafen.
Heike ist zwar mulmig, und sie achtet auch darauf daß das Zelt wirklich fest zu ist,
damit irgendwelche Strolche keine Chance haben uns nachts zu stören. (Ha ha).
Am nächsten Tag lacht die Sonne. Wir kriechen aus dem Zelt und Heike gefällt es
hier aufeinmal richtig gut, nachdem sie zugegeben hat, daß ihr gestern abend in der
dunklen Kälte doch ziemlich mulmig war. Als erstes führe ich Heike zum See, wo
man einen wunderschönen Ausblick hat. Wir machen Frühstück und gehen dann
nochmal zum See um uns zu waschen. Das Wasser ist noch mächtig kalt.

Links: Unsere Lichtung, rechts: Unser See
Ein unangenehmes Erlebnis habe ich noch: Ich verlasse die Lichtung mitsamt dem
Spaten um an einer ruhigen Stelle im Wald wichtige Geschäfte zu erledigen. Nach
Vollendung schlendere ich dann wieder zurück. Doch auf einmal wird mir klar, daß
ich überhaupt nicht mehr weiß wo ich bin. Muß hier nicht irgendwo der kleine
Trampelpfad kommen von dem aus ich in den Wald gegangen bin? Oder bin ich
schon zu weit? Eigentlich kann ich erst wenige hundert Meter gegangen sein, aber
um mich ist nichts als Bäume. Plötzlich weiß ich nicht mal mehr ansatzweise aus
welcher Richtung ich gekommen war. Ich stand auf einer Lichtung mitten im Wald.
Den Gedanken auf einen Baum zu klettern und zu schauen wo ich bin verwerfe ich
schnell, die Bäume sind nicht so gut bekletterbar. Leichte Panik steigt in mir auf,
obwohl ich weiß, daß ich höchstens knapp 500 Meter von unserem Lagerplatz
entfernt bin. Ich weiß nur nicht in welcher Richtung.
Ich überlege. In ungefähr östlicher Richtung kommt die Straße die nicht zu verfehlen
ist. In ungefähr südlicher Richtung müßte noch ein anderer See sein der auch nicht
zu verfehlen ist. In nördicher Richtung müßte "unser See" sein. Wenn ich ungefähr
nach Nordosten halte müßte ich irgendwann entweder an der Straße oder am einen
oder am anderen See rauskommen. Nur nach Westen darf ich nicht abdriften, da ist
nur Wald. Ich hoffe, daß ich mich mit den Himmelsrichtungen nicht täusche und
versuche ungefähr anhand des Sonnenstandes die nordöstliche Richtung
einzuschlagen. Da muß ich dann eigentlich irgendwo zwischen Straße und See
herauskommen.
Da ich aber notfalls wenigstens die Stelle hier wo ich jetzt stehe und weiß, daß sie
nicht sooo weit weg von underem Lager ist wieder finden möchte, streue ich wie
Hänsel und Gretel eine Spur aus Klopapier hinter mir her. (Ich glaube bei Hänsel
und Gretel war's aber kein Klopapier, oder???). Ich lege jegliche Hemmungen ab
rufe laut nach Heike. Der Wald schluckt den Schall aber ganz gut.
Irgendwann fällt mir auf, daß ich nach dem Rufen vielleicht einen Augenblick
stehenbleiben sollte und auf Antwort lauschen, anstatt weiter geräuschvoll durch
den Wald zu stapfen. Das mache ich dann auch. Schon nach wenigen Versuchen
höre ich ganz leise eine Antwort von Heike. Ich gehe in die Richtung und schon
nach wenigen zehn Metern bin ich wieder an unserem Lagerplatz angekommen.
Heike hat sich schon Sorgen gemacht, ich war über eine halbe Stunde weg. Als ich
ihr erzähle daß ichmich "beim Scheißen verlaufen" habe lacht sie sich halb tot.
Nach der Tour im letzten Jahr achte ich jetzt genau auf den Stand der Vegetation.
Wo die Blätter der Birken in Hamburg schon voll aufgegangen sind, sieht man hier,
daß sie erst wenige Tage aus den Knospen herausgebrochen sind. Das Wetter ist
extrem schön und es ist bestimmt deutlich über 20° Celsius warm.
Wir machen einen Spaziergang zu einem Aussichtspunkt von dem aus man einen
wunderschönen Blick auf den Sommensee hat. Heike gefällt es hier offensichtlich
sehr gut. Uff, mir fällt ein Stein vom Herzen.

Links: Der Aussichtspunkt auf den Sommensee
Bei dem Spaziergang begutachten wir noch den neuen Straßendurchbruch. Die alte
Straße, die um den Berg herumführt, ist auch noch gut zu sehen. Abends kochen
wir auf dem Feuer. Heike sagt, daß ihr nun überhaupt nicht mehr mulmig ist, wo sie
den Platz tagsüber kennengelernt hat.
Am nächsten Morgen packen wir unsere Sachen zusammen und fahren weiter. Mich
zieht es, wie immer, nach Norden. Frühstücken tun wir im Auto. Wir haben unsere
Thermoskanne mit Filterkaffee befüllt den wir vorher noch schnell gekocht hatten.
Unsere Thermobecher mit Deckel und Trinkloch stellen sich als tolle Investition
heraus. Für Getränke während der Autofahrt sind sie bestens geeignet. Heike
schmiert mir Brote und wir genießen das gemütliche Frühstück während der Fahrt.
Wir fahren die E4 hoch Richtung Stockholm. Wir wollen uns Stockholm noch
anschauen. Das tun wir dann auch, allerdings ist heute Pfingstmontag und die Stadt
ist etwas tot. Wir schauen noch einigen Kanuten zu, gehen etwas spazieren und
begeben uns wieder zu unserem Auto zurück.
Weiter fahren wir nach Gräsö, einer Insel auf der ich auch schon öfters über Nacht geblieben bin.
Gräsö ist über eine kurze kostenlose Fähre mit dem Festland verbunden. Wir
fahren hinüber und ich steuere zu einer Stelle im Wald, wo ich sonst immer wild
gecampt habe. Die Stelle findet Heike aber nicht so gut. Also suchen wir uns eine
andere Stelle, die uns beiden gefällt.
Wir machen wieder ein Feuer und wollen Spaghetti mit Schinken und Sahnesauce
kochen. Ich fühle mich etwas mulmig mit dem Feuer in dem doch recht trockenen
Wald, aber da wir nur einen kleinen Kocher haben, aber sowohl Nudeln als auch
Sauce kochen wollen brauchen wir das Feuer. Es passiert dann auch zum Glück
nichts.
Am nächsten Morgen ist das Wetter immer noch schön. Wir fahren schnell noch
an die Südspitze von Gräsö und dann aber auch gleich wieder zurück zum Festland
die E4 Richtung Norden. Die Sonne strahlt noch immer, aber es ist nicht mehr ganz
so warm.
An einer Tankstelle bunkern wir warmes Wasser. Dann fahren wir irgendwo in den
Wald, füllen das Wasser in unsere "Solardusche" und duschen warm.
Am späteren Nachmittag werden wir beide müde, wir fahren in einen kleinen
Seitenweg und legen uns auf eine Lichtung schlafen. Als nach einiger Zeit die
Sonne hinter den Bäumen verschwindet, wird es doch ein wenig kühl. Außerdem
sehen wir nun, daß wir direkt neben einem großen Schneerest gelegen haben, kein
Wunder daß es kühl ist. Der erste Schnee auf unserer Tour!
Wir fahren noch ein Stückchen und campen dann im Wald in der Nähe von
Örnsköldsvik. Hier liegen noch ziemlich viele Schneereste, die Vegetation ist noch
nicht erwacht, die Bäume sind blattlos. Wir kochen auf unserem Trangia
Spirituskocher noch ein Süppchen und gehen dann schlafen.
Die Nacht ist recht kalt. Am nächsten Morgen bauen wir zügig unser Zelt ab und
fahren los. Wir frühstücken dann im warmen Auto. Die Fahrt geht weiter nach
Norden. Zwischendurch legen wir noch eine Schlafpause im Auto ein.
Laut unserem Campingführer hat der Campingplatz in Övertorneå auch um
diese Jahreszeit geöffnet. Wir kommen an, und wollen eine kleine Hütte für zwei
Personen mieten. Leider werden diese gerade renoviert. Man bietet uns eine 8-
Personenhütte zum Vorzugspreis von 100.- DM an, sonst kostet sie 120.- DM. Wir
gönnen uns das teure Vergnügen.

Unsere Hütte von außen und innen
Die Hütte ist auch wirklich schön ausgestattet. Bad, Fernseher, sogar ein
Wäschetrockner. Wir kochen uns noch etwas zu Essen. Die Sonne verschwindet
hinter dem Horizont, aber auch nachts um eins wird es nicht richtig dunkel. Wir
machen noch einige schöne Fotos und schlafen dann.

Mitten in der Nacht im Mai in Overtorneå
Morgens schlafen wir bis in die Puppen, da es am Vorabend recht spät geworden
ist. Wir frühstücken noch in der Hütte, dann geht es wieder weiter. Unser Ziel ist der
Inarisee. Wir wollen heute abend eigentlich wieder zelten. Wir fahren über den
Torneelven nach Finnland. Nach wenigen Kilometern kommen wir am Polarkreis an.
Wir machen die obligatorischen Fotos. Heike ist das erste mal in diesen Regionen,
für mich ist das allmählich nichts besonderes mehr.

Am Polarkreis
Nun biegen wir von der Hauptstraße ab und fahren quer durch die Pampa um die
Eismeerstraße, die Rovaniemi mit Ivalo am Inarisee verbindet zu erreichen. Es hat
sich inzwischen bewölkt, aber es sieht nicht nach Regen aus. Allerdings ist es
ziemlich kühl geworden.

Wir fahren auf kleinen Straßen durch finnisch Lappland
Wir erreichen die Eismeerstraße. In Sodankylä zeigt ein öffentliches Thermometer
-3° C an. Wir fahren an einigen Seen vorbei, die noch fast komplett
zugefroren sind. Irgendwie ist es ganz schön kalt zum Zelten. Wir kommen in Ivalo
an einem Campingplatz vorbei und schauen einfach mal, ob er auf hat. Es sieht
nicht so aus. Es gibt eine Klingel und wir klingeln. Es kommt auch jemand, wir
können eine Hütte mieten für umgerechnet nur 30.- DM. Sie ist zwar ungleich
einfacher ausgestattet als die Hütte in Övertorneå, aber durchaus
ausreichend.

Links: Die Seen sind alle zugefroren, rechts: Unsere Hütte in Ivalo
Am nächsten Morgen schauen wir aus dem Fenster, es schneit ein wenig. Unser
Ziel ist es über die Verbindungsstraße von Kamaanen/Sevettijärvi nach Neiden zu
fahren, dann nach Kirkenes und vielleicht Gränse Jakobselv, der östlichste Zipfel
Norwegens an der russischen Grenze.
Die Strecke von Kamaanen nach Neiden betrachte ich mit wachen Augen, da ich
dort vor ziemlich genau einem Jahr mit dem Fahrrad gefahren bin. Die Baustelle,
die mir damals so viele Sorgen bereitet hat, ist inzwischen nicht mehr da, dafür gibts
jetzt eine niegelnagelneue Asphaltstraße.
Der Inarisee ist auch noch zugefroren, wir sind aber zu feige auf dem Eis
umherzuspazieren, obwohl das sicherlich kein Problem wäre.
Unsere Straße mündet auf die E6, dort betrachten und fotografieren wir den
Skoltefossen, eine große Stromschnelle.

Links: Der Inarisee, rechts: Der Skoltefossen
Dann fahren wir nach Kirkenes. Die Stadt
ist superlangweilig, aber bei der Post will ich Geld vom Postsparbuch abheben. Aus
unerfindlichen Gründen ist die Post aber zu, obwohl sie laut Öffnungsschild aufhaben
müßte. Ich probiere dann noch meine EC-Karte bei einem Bankautomaten und
erstaunlicherweise klappt es sogar. Sonst hätten wir auch ein ernstes Problem, da
heute Sonnabend ist und morgen alle möglichen Geldquellen geschlossen haben.

links: Superlangweiliges Kirkenes, rechts: Wegweiser in Kirkenes
Wir fahren noch nach Grense Jakobselv, mich fasziniert das wilde Nordmeer und
der Blick nach Rußland. Ich war hier vor zwei Jahren mit dem Motorrad, seitdem hat
sich doch viel geändert. Damals führte die Straße von Kirkenes nach Jakobselv,
eine kleine Seitenstraße führte zum sowjetischen Grenzübergang Richtung
Murmansk. Heute führt die Hauptstraße nach Murmansk, nach Jakobselv muß man
links abbiegen.

Auf einem Fels im Nordmeer, Grense Jakobselv
Ich möchte gerne noch Richtung Mehamn/Gamvik fahren, wo ich letztes Jahr alleine
mit dem Auto war, ich aber leider den Film so dusselig in meinen Fotoapparat gelegt
hatte, daß ich kein einziges Foto von der grandiosen Landschaft dort habe.
Vorher wollen wir uns aber irgendwo eine Hütte mieten. Beim Campingplatz in Tana
Bru gibt es leider keine Hütten, trotz gegenteiliger Angaben im Campingführer. Man
bietet uns ein Hotelzimmer im angeschlossenen Hotel für umgerechnet 250.- DM
an. Das ist uns dann doch deutlich zu teuer. Wir fahren weiter, es ist mittlerweile
schon nach 22 Uhr.
Wir kommen an einem Schild vorbei "RUM" (Zimmer). Wir folgen dem Schild und
kommen an einem Einfamilienhaus an, wo auch ein Schild "RUM" dran ist. Wir
klingeln und klopfen, aber keiner macht auf.
Kurz vor Ifjord haben wir die Schnauze voll, es ist mittlerweile auch zwei Uhr nachts,
und wir beschließen im Auto zu übernachten. Wir sind absolut nicht motiviert das
Zelt aufzubauen, obwohl wir an einer schönen Stelle stehen, und das Wetter auch
hervorragend ist. Warum wissen wir auch nicht.


Hier übernachten wir im Auto, haben aber einen wunderschönen Ausblick
Am nächsten Morgen werden wir dadurch wach, daß die Sonne unser Auto aufheizt.
Wir fahren Richtung Mehamn über das noch völlig zugeschneite Fjell wo wir im
Schnee spielen. Da die Straße recht schlecht ist, und Gamvik noch weit entfernt
kehren wir um und wollen nun Richtung Nordkap fahren.

Heike spielt im Schnee
In Lakselv soll es einen Campingplatz geben, der auch um diese Zeit Hütten
vermietet, doch als wir dort ankommen hat die Rezeption bis spät nachmittags
geschlossen. Eigentlich haben wir keine Lust hier solange rumzuwarten und dann
noch auf die Gefahr hin, daß aus irgendwelchen Gründen vielleicht doch keine
Hütte frei ist.
In Olderfjord, ca. 60 Kilometer von hier entfernt, aber auch 60 Kilometer näher am
Nordkap soll es auch einen geöffneten Campingplatz geben. Wir fahren auf gut
Glück hin, und können auch gleich eine kleine idyllische Hütte direkt am Fjord
mieten. Sie kostet allerdings auch 100.- DM die Nacht, hat aber auch eine
kleine Küchenzeile, ein eigenes Klo und Dusche.

Die Hütte in Olderfjord
Wir wollen hier zwei Nächte verbringen, und morgen den Tag nutzen um das nicht
mehr weit entfernte Nordkap zu besuchen. Meine Motivation zum Nordkap zu fahren
ist eigentlich nicht so hoch, aber ich verstehe, daß Heike, die zum ersten mal hier
oben ist gerne hin möchte. Ich war 1989 mit einem Freund da, es hat geregnet,
überall waren Touristen und dann kostet das Nordkap noch unverschämte 30.- DM
Eintritt!!! Außerdem muß man noch zwei mal umgerechnet 30.- DM für die Fähre
zahlen. Der Abstecher würde uns also 240.- DM kosten!
Nungut, erstmal wollten wir uns einen gemütlichen Abend in der Hütte machen. Da
es in Olderfjord keinen vernünftigen Laden gibt, fahren wir wieder die 60 km nach
Lakselv zurück. Dort kaufen wir ein. Ich bekomme sogar eine kleine Knopfzelle für
meinen Fotoapparat und einen neuen Glühstrumpf für meine Gaslampe (die wir hier
bei der Mitternachtssonne allerdings nicht brauchen). Dann geht es wieder 60 km
zurück nach Olderfjord.
Am nächsten Morgen schlafen wir aus, frühstücken noch gemütlich und machen uns
am Nachmittag auf zum Nordkap. Das Wetter ist traumhaft schön. Viele Rentiere
laufen hier auf der Straße umher. Bäume gibt es bald keine mehr, in Olderfjord
standen noch ein paar. Wir kommen am Fähranleger an. Das Nordkap liegt auf der
Insel Magerøya was soviel wie "Magere Insel" bedeutet. Die Insel ist auch
mager, es gibt hier recht wenig Vegetation.

Überall sind Rentiere auf der Straße
Die Fährfahrt dauert eine gute halbe Stunde. Dann sind noch 30 Kilometer
zurückzulegen. Die Straße zum Nordkap ist seit meinem letzten Besuch 1989 zum
"Highway" ausgebaut worden, damit die Touristenströme bewältigt werden. Die sind
aber zum Glück um diese Jahreszeit noch nicht da. Große Flächen sind noch voller
Schnee, aber an vielen Stellen ist der Schnee auch schon weggetaut.
Plötzlich kommt der komisch runde Touristentempel der am Nordkap gebaut wurde
in Sicht. Auf dem Parkplatz davor stehen drei oder vier Autos. Es sieht auch nicht so
aus als ob irgendwo ein Kassenhäuschen ist. Wir gehen zum Nordkap und
fotografieren ausgiebig. Die Sonne steht flach über dem Horizont, es ist wirklich
erstaunlich schön hier. Mit Grauen denke ich an meinen ersten Nordkapbesuch
zurück. Damals wollten ein Freund und ich einfach am Kassenhäuschen
vorbeigehen, wir waren die letzten 30 Kilometer zu Fuß gegangen, aber man pfiff
uns mit dem Megaphon zurück, damit wir unseren Obulus entrichten.

Das Nordkap!
Ich schaue daraufhin nochmal herum, man könnte die Kassierstelle weiträumig
umgehen, wenn man vielleicht 1-2 km vor dem Nordkap parkt und dann zu Fuß
geht. Das Gelände ist übersichtlich und leicht zu begehen.
Wir wollen nun doch mal in den Touristenstempel schauen und gehen hinein. Dort
sitzt "im nördlichsten Postamt Europas" ein Angestellter und will uns nun doch die
teuren Eintrittskarten aufschwatzen, mit denen wir auch die tolle "Multivisionsshow"
und Schnick und Schnack besuchen können. Wir lehnen dankend ab und verlassen
diese Stätte wieder.

Links: Nordkap, rechts: Das noch etwas weiter nach Norden ragende Kap Kivskjelodden
Die letzte Fähre zurück zum Festland fährt schon gegen 21:30 Uhr. Wir fahren auf
die Fähre, steigen aus dem Auto aus und gehen an Deck. Eigentlich sind wir davon
ausgegangen auf dem Hinweg gleich auch für den Rückweg mitbezahlt zu haben.
Wer hier hinfährt, fährt normalerweise auch die gleiche Strecke wieder zurück. Naja,
der Kassierermensch ist uns bis auf Deck gefolgt, wir mußten nocheinmal
umgerechnet 30.- DM zahlen. Wenigstens waren wir aber um das Eintrittsgeld fürs
Nordkap herumgekommen.
Wir fahren zurück zu unserer Hütte in Olderfjord. Am nördlichen Horizont ziehen
Wolken auf. So schönes Wetter am Nordkap ist auch ziemlich ungewöhnlich.
Am nächsten Morgen kaufen wir auf dem Campingplatz noch etwas Gebäck, dann
wollen wir zügig nach Süden fahren. Da die zweimalige Hüttenübernachtung doch
ein ziemliches Loch in unsere Reisekasse gerissen hat, wollen wir heute Nacht auf
jeden Fall wieder zelten. Damit es nicht so kalt wird wollen wir noch möglichst weit
nach Süden kommen. Wir fahren über Alta und Kautokeino nach Schweden auf den
Inlandsvägen. Wir sind jetzt zwar schon relativ weit nach Süden gekommen, aber es
liegt hier doch noch mehr Schnee als erwartet. Das liegt wohl daran, daß wir uns
auf höherer Höhe befinden als an der E4, die ja immer mehr oder weniger nahe an
der Ostsee entlangführt.
Es wird abends und wir müssen uns allmählich nach einem Platz zum Zelten
umschauen. Kurz vor Jokkmokk sind kaum noch Schneereste, wir fahren aber noch
durch Jokkmokk hindurch. Dahinter geht es aber wieder etwas hoch und so sind hier
auch wieder mehr Schneereste, so ein Pech.
Wir zelten dann irgendwo im Wald direkt am Fitsbakken einen Nebenfluß des
Lule älv. Es ist sehr kalt draußen. Leider haben wir kein Thermometer dabei. Ich
stelle ein Filmdöschen mit Wasser aus dem Fitsbakken auf das Autodach. Schon
nach zehn Minuten ist es zu einem Block gefroren. Ich schätze, daß es kälter als
-5° C kalt ist.
Heike backt in dieser Kälte noch Pfannkuchen auf dem Lagerfeuer die sehr gut
schmecken. Dann gehen wir schlafen. Heike friert nachts, bei mir geht es.
Wir wachen morgens auf, ich strecke den Kopf aus dem Zelt, huch, es hat
geschneit, und gar nicht so wenig. Heike ist etwas muffelig wegen des Schnees, ich
finde es lustig. Wir schütteln den Schnee vom Zelt, packen es zusammen und
brechen auf. Leider vergesse ich mein Eßbesteck, das zugeschneit ist, aber das
merke ich erst später. Wir frühstücken im Auto.

Eingeschneit...
Unser nächstes Etappenziel ist der Ströms Vattudal. Eigentlich wollten wir dort im
Sommer eine Paddeldour machen, aber wegen Heikes Arbeitsplatzwechsel klappt
das ja nun nicht. Wir wollen aber mal wissen, ob wir uns ein schönes Paddelrevier
ausgesucht hätten.
Wir fahren durch sonniges Wetter und kommen abends am Ströms Vattudal an.
Es wäre ein schönes Kanurevier gewesen.
Laut unserem Reisebuch gibt es hier die meisten Bären Schwedens. Heike mag hier
dann erst nicht so gerne zelten, zumal wir an einer Stelle Bärenspuren
und Bärenhaare im Schnee sehen (Vielleicht war's doch ein Elch, sah aber eher nach Bär aus).
Wir fahren bei B&areing;gede auf die andere Seite des Ströms Vattudal, fahren
dann in eine Seitenstraße, einen Feldweg hoch und finden eine Stelle auf einem
Berg mit hübscher Aussicht auf die umliegende Gegend.
Wir bauen das Zelt auf. Es ist so komisch verhärtet... Wir haben das Zelt heute
morgen etwas feucht eingepackt, und beim Aufbau ist die Feuchtigkeit sofort
gefroren. Der Himmel ist klar, die Sonne geht nachts auch schon wieder richtig
unter, so daß es dunkel wird. Wir frieren diese Nacht wieder ein wenig, aber es ist
auszuhalten.
Abdendliche Ausblicke von unserem Lagerplatz
Die Sonne weckt uns morgens. Sehr sehr gemütlich frühstücken wir,
die kalte Nacht ist schnell vergessen, es wird recht warm. Dann fahren
wir los.
Heike bereitet das Frühstück vor
Unser Ziel ist der Femundsee in Norwegen. Auf dem Femundsee und
dem folgenden Trysilelven habe ich voriges Jahr mit einigen Leuten eine Kanutour
gemacht.
Der Weg dorthin ist doch weiter als wir zunächst vermutet haben. Als wir am
Femundsee ankommen ist es schon fast dunkel. Auch dieser See ist zugefroren obwohl
wir schon wieder recht weit im Süden sind. Allerdings liegt der Femundsee recht hoch.
Wir fahren noch weiter bis zu der Stromschnelle in Elvbrua, wo ich vor einem Jahr
auch an einer schönen Stelle im Wald gecampt habe. Wir finden die Stelle auf
Anhieb, bauen das Zelt auf und gehen schlafen. Diese Nacht ist deutlich wärmer als
die beiden vorigen Nächte.
Nachts hören wir immer irgendetwas über das Zelt rutschen. Komisch, eigentlich
sind doch gar keine Bäume so dicht am Zelt, daß das Geräusch von deren
Zweigem herrühren könnte.
Am nächsten Morgen, als ich meine Nase aus dem Zelt stecke hat es bestimmt 15
cm geschneit. Die Geräusche sind entstanden, wenn der Schnee die Zeltwände
hinuntergerutscht ist.
Jetzt wird uns erst klar, wie kalt es die vorherigen Nächte gewesen sein muß. Diese
Nacht haben wir nicht ansatzweise gefroren, und trotzdem hatte es über nacht
geschneit. Der Schnee war zwar ziemlich backsig, aber die Temperaturen werden
wohl trotzdem so um die Null Grad gewesen sein. Heute findet Heike die Situation
auch richtig lustig, wohl weil sie nachts nicht so gefroren hat. Sie baut sogar
einen Schneemann.

...und schon wieder eingeschneit!
Wir packen unsere Sachen zusammen und fahren los. Wir folgen dem Trysilelven
auf einer kleinen Straße. Mit den Sommerreifen habe ich manchmal an Steigungen
etwas Schweierigkeiten, aber es klappt so.

Mit Sommerreifen über zugeschneite Straßen
Der Schnee wird, je weiter wir talwärts
fahren immer matschiger. In Trysil graupelt es. Wir kaufen für unsere letzten
norwegischen Kronen noch in einem Supermarkt ein und folgen dann dem
Trysilelven nach Schweden wo er dann Klarälv heißt. Wie immer wird das Wetter
beim Überqueren der schwedischen Grenze plötzlich schön und die Sonne
scheint.
In Höljes gibt es einen total unaufgeräumten rumpeligen Supermarkt, der in seinem
Angebot so bizarr ist, daß ich ihn gerne Heike zeigen möchte. Man kann dort vom
Brot über Angel bis zur Gummi-Karnevalsmaske alles mögliche und unmögliche
kaufen. Alles liegt völlig chaotisch durcheinander. Ein abenteuerliches Plätzchen.
Wir kaufen dort noch einen Löffel, da ich meinen ja im Wald liegen lassen habe.
Dann geht es weiter am Klarälven entlang. nach einer Stunde machen wir Pause.
Die Sonne scheint und wir legen uns auf eine saftige grüne Wiese und machen ein
Schläfchen. Die Stelle wo wir heute morgen im Zelt eingeschneit sind ist keine 200
Kilometer entfernt.
Eigentlich wollen wir heute noch "unsere Stelle am See" erreichen. Wir müssen
zwar wieder ein ganzes Stück fahren, aber als wir ankommen ist es für uns so als ob
wir nach Hause kommen. Die Bäume sind jetzt saftig grün, das braune Laub auf
dem Boden ist vom saftigen Gras verdrängt worden. Erstaunlich, wie schnell sich
die Natur in knapp zwei Wochen weiterentwickelt hat.
"Unsere Lichtung". Die Natur hat sich schon deutlich weiterentwickelt
Abends gibt es Pfannkuchen. Ich schlage mit einer Gabel Sahne in einer alten
Blechdose. Das ist deutlich anstrengender als ich vermutet habe. Nach einer halben
Stunde (und nachdem die Hälfte verschüttet ist) fängt die Sahne allmählich an fest
zu werden.
Wir legen noch einen weiteren faulen Tag ein und fahren dann in einem Rutsch
durch nach Hamburg.
Wer keinen Wert auf superhohe Temperaturen legt, aber gerne auf Mücken und
Touristenmassen verzichtet, dem kann ich nur den Mai als Reisemonat für
Skandinavien empfehlen. In Lappland ist die Landschaft zwar noch etwas trist, aber
um so schöner ist es auf dem Rückweg in den Frühling hineinzufahren. Die Tage
sind um diese Zeit auch schon extrem lang.
Du bist Leser Nummer
seit dem 15.11.1997
Bei Fragen und Kommentaren schickt mir doch eine EMail:
Sven@Hoerberg.de
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